Freispruch für Juristen: Unbefugter Datenzugriff oder Systemfehler?

Wien, Österreich - Ein 27-jähriger Jurist, der zuvor als Rechtspraktikant am Wiener Landesgericht für Strafsachen gearbeitet hatte, stand in Wien wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht. Der Vorwurf lautete, dass er unbefugt auf personenbezogene Daten des Justizsystems zugegriffen hatte, nachdem er zum Landesgericht für Zivilrechtssachen versetzt worden war. Trotz der Schwere dieses Vorwurfs wurde der Angeklagte kürzlich freigesprochen. Dies berichtet vienna.at.

Die Staatsanwältin bezeichnete den Fall als ungewöhnlich und unterstrich die wichtige Rolle von Rechtspraktikanten im Justizbetrieb. Ein entscheidender Punkt des Verfahrens war die Tatsache, dass der ehemalige Praktikant weiterhin Zugriffsberechtigungen auf elektronische Akten hatte, auch nachdem er seinen Dienstort gewechselt hatte. Diese unbefugten Zugriffe wurden von einer erfahrenen Strafrichterin bemerkt, die daraufhin das Oberlandesgericht (OLG) informierte.

Der Verlauf des Prozesses

Während des Prozesses bereitete sich der Angeklagte gerade auf seine Übernahmeprüfung zum Richter vor. Sein Verteidiger, Otto Dietrich, betonte, dass sein Mandant nicht in Schädigungsabsicht gehandelt habe und sich keiner Schuld bewusst sei. Der Schöffensenat stellte fest, dass kein wissentlicher Befugnismissbrauch nachgewiesen werden konnte, was zu einem schnellen Freispruch führte. Die Richter glaubten nicht, dass der Jurist nicht wusste, dass er unbefugt auf die Akten zugreift.

Der Angeklagte hatte zu Beginn des Jahres 2023 als Rechtspraktikant bei einer Strafrichterin gearbeitet und erklärt, dass er lediglich lernen wollte und nicht die Akteninhalte durchsucht habe. Die Richterin bekräftigte, dass weder sie noch andere Richter wussten, dass der Zugang zu den Akten auch nach der Praktikumszeit weiterhin möglich war. Dietrich wies darauf hin, dass es sich um einen „Systemfehler“ handelte.

Die rechtlichen Implikationen

Für die rechtliche Bewertung des Falls ist es wichtig, die Anforderungen an den Amtsmissbrauch zu betrachten, wie sie beispielsweise im OGH-Urteil vom 06.10.2011 ausgeführt werden. In diesem Urteil wurde festgestellt, dass für ein Vergehen nach § 302 Abs 1 StGB, das eine bewusste Missachtung der Befugnisse voraussetzt, auch der Vorsatz des Handelnden entscheidend ist. Bei allgemein zugänglichen Daten oder mit Zustimmung der betroffenen Person ist ein Befugnismissbrauch nicht gegeben. Dies könnte auch in diesem Fall eine Rolle spielen, da der Angeklagte angibt, keine schädlichen Absichten gehabt zu haben.

Die Entscheidung des Schöffensenats ist momentan nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin hat bisher keine Stellungnahme abgegeben, und eine Rechtsmittelerklärung bedarf noch der Zustimmung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA).

Details
Vorfall Amtsmissbrauch
Ort Wien, Österreich
Quellen